Der Engel-Experte - oder ein Scharlatan?
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Todd Bentley spaltet die Meinungen unter Christen: ein gesalbter Prediger mit wundersamen Erfahrungen, oder ein Scharlatan, der sich Engel-Geschichten und Begegnungen mit Jesus ausdenkt? Im Internet wird heiß diskutiert. (Foto: youtube)Er sieht aus wie ein Mitglied der Motorrad-Gang “Hell’s Angles”, tätowiert und im Gesicht mit Piercings bestückt. Einen Gebrauchtwagen würde man ihm vielleicht nicht sofort abkaufen, aber vielleicht seine Geschichte über Begegnungen mit Engeln? Ein Mann namens Todd Bentley entfacht derzeit Diskussionen unter Christen weltweit und verunsichert viele, weil er angeblich “die größte Erweckung der Geschichte” entfachen will.

Tausende strömen derzeit in Amerika, aber zunehmend auch in anderen Teilen der Erde, zu Veranstaltungen von Todd Bentley. Die Bewegung ist unter dem Namen “Lakeland Healing Revival” bekannt und wird vor allem im Internet heiß diskutiert. Auch die großen Medien interessieren sich immer mehr für den Mann, der seltsame Angewohnheiten hat. “GOD TV” strahlt seine Kundgebungen weltweit aus. Denn was er tut, ist spektakulär - wie auch immer man zu ihm steht. Bentley ist ein Musterbeispiel dafür, wie im Zeitalter des Internets derartige Phänomene in Windeseile weltweit Aufmerksamkeit erreichen.

Wenn Bentley spricht, legt er vor allem auf eines Wert: die Erfahrungen, die er angeblich mit Engeln, Gott und Jesus selbst gemacht hat. Jesus, erzählt er, komme bei ihm in die Wohnung. Engel treten mit ihm in Kontakt wie Nachbarn, die zum Plausch vorbeikommen. Wirkliche Predigten hält er nicht. Im Zentrum von Bentleys “Verkündigung” stehen das Übernatürliche, Kranken-Heilungen, Zittern und Schütteln sowie allerlei scheinbare Manifestationen des Heiligen Geistes.

Fresh Fire” heißt die Gemeinde Bentleys in Kanada. In Lakeland, Florida, finden die größten Veranstaltungen statt. Von außen betrachtet hat die Gruppierung den Anschein einer normalen pfingstlerischen Gemeinde. Ihr Symbol zeigt eine Erde, die Feuer gefangen hat. Kanada? Kam nicht von dort auch vor ein paar Jahren der “Toronto-Segen”? Aber ob Todd Bentleys wilde Reden und angebliche übernatürliche Erfahrungen etwas mit diesem charismatischen Phänomen zu tun haben, darüber streiten sich die Geister. Auf jeden Fall hat sich selten eine Bewegung so schnell herumgesprochen wie diese, vielleicht auch wegen des Internets. Vor allem in Blogs und Foren diskutieren Christen, ob Bentley von Gott ist oder von jemand anderem.

Lachen statt Predigen - und immer wieder Engel-Geschichten

Todd Bentely ist 32 Jahre alt. Als 18-jähriger Teenager habe er eine “dramatische Begegnung” mit Jesus gehabt, ähnlich wie die des Apostels Paulus, heißt es auf der Webseite von “Fresh Fire”. Näher erklärt wird diese Begegnung nicht, aber man ahnt, wie sie gewesen sein muss, denn Bentley wird nicht müde, von Begegnungen mit dem leibhaftigen Jesus und diversen, bislang unbekannten Engeln zu berichten. Früher habe der stark tätowierte Bentley ein Leben mit Sex, Drugs, Rock ‘n’ Roll und Satanismus geführt. “Todd wurde auf der Stelle in einen radikalen Jünger und einen Evangelisten verwandelt”. Das ist umso erstaunlicher, als selbst die größten Evangelisten zumeist eine eigene Geschichte der Entwicklung hinter sich haben: Fast jeder musste durch Glaubenskrisen gehen und reifen, bevor er Tausende zu Jesus führen konnte. Todd scheint da eine Ausnahme zu sein.

Der überzeugte Piercing-Träger berichtet von einem Engel namens “Emma”, der auf einmal vor ihm stand - oder besser: schwebte, denn er berührte mit den Füßen nicht den Boden. Ansonsten sah sie aus wie eine normale Frau in einem weißen Gewand. “Emma” sei bereits 1980 in Kansas City aufgetaucht, und sie sei dafür zuständig, bei Geburten zu helfen. Sinn und Zweck der Begegnung? Sie hatte Bentley Gold mitgebracht.

Auch den “Engel der Finanzen” traf Bentley mehrfach. Immer wenn der kommt, füllen sich auf einmal die Kassen der Gemeinde. Denn die Leute spenden fleißig. Vieles vom christlichen Glauben scheint der Prediger jedoch noch nicht verstanden zu haben. So ist eine Predigt über Jesu Opfertod gar nicht notwendig, um “Jesus anzunehmen”. Es reicht, wenn Todd Bentley für die Person betet, ihr die Hand auflegt oder ihr einfach in den Magen boxt. “Ich werde jetzt nicht 45 Minuten lang predigen”, sagte er einmal zu einem Mann, der auf einen Altar-Ruf hin nach vorne gekommen war. “Ich bete einfach, dass Du Jesus jetzt empfängst.”

Auch während dreistündiger Veranstaltungen öffnet Bentley nicht einmal die Bibel. Eine Frau berichtet von einer Veranstaltung, wo Bentley sagte, er wolle einen Psalm lesen, doch dazu kam es nicht. Jedesmal, wenn er anfangen wollte zu lesen, lachte er los und machte komische Geräusche. Denn schließlich ist er ja “voll des heiligen Geistes”. “Das war mir sehr unbehaglich”, so die Frau. “Es war so, als mache er sich eigentlich lustig über die Bibel, weil er jedesmal lachte, wenn er aus der Bibel lesen wollte. Die Leute bewundern ihn deswegen und sagen, er sei ‘betrunken im Geist’, so dass er nicht in der Bibel lesen kann!” Wenn Bentley eine ernsthafte Predigt beginnen will, bestehen seine Äußerungen hauptsächlich aus Grunzen, Lachen oder den Erzählungen all seiner wunderbaren Erlebnisse (mit Gott, Engeln und Feuer), die teilweise so abstrus sind, dass selbst die “gläubigen” Zuhörer ihr Lachen nicht mehr halten können. Opfertod Jesu? Fehlanzeige. Jesus, so weiß er aus nächster Nähe zu berichten, habe “die braunsten Augen”, die er je gesehen habe. So wie Bambi, behauptet Bentley in einem Video auf Youtube, ohne mit der Wimper zu zucken. Und Sandalen habe er angehabt.

Rosa Kitsch-Jesus und Pseudo-Evangelium

Wer bei Youtube nach Todd Bentley sucht, bekommt mittlerweile rund 600 Ergebnisse. Einmal saß Bentley in einem Stuhl, und da habe sich der Himmel geöffnet, und daraus sei Jesus gekommen. Er war keine besondere Erscheinung, sondern es sei ein ziemlich normaler Mann mit Bart und langen, braunen Locken gewesen. Wenn man von den “zehn Regenbogen” absieht, die vom “Herrn” ausgingen, sowie dem “rosafarbenen Licht”, das ja für Liebe und Gefühl stehe.

Bei anderen Gelegenheiten sah Bentley kleine Feuersäulen, elektrische Felder, in die er seine Hand stecken konnte und andere spektakuläre Phänomene, die eines gemeinsam haben: sie erfüllen keinen Zweck außer den, dass Bentley davon berichten kann. Die Feuersäule stellte für Bentley eine Art Tor zum Himmel dar. Sobald er sich herreinstellte, wurde er in den Himmel hinaufgebracht. “Beam me up”, scherzt Bentley in seiner Predigt. “Das war ein prophetisches Erlebnis, für alle, die das noch nicht wussten”, belehrt er seine Zuhörer. Einmal “operieren” ihn die Engel am Bauch, mit einer Art Motorsäge schneiden sie ihn auf, alle seine Innereien spritzen nach außen - Bentley versäumt nicht, das Geräusch der Säge lautstark zu imitieren.

Bentleys Vorträge erinnern ein wenig an einen schlechten Schauspieler, der etwas übertrieben einen Science Fiction-Film nacherzählt. Viele Schreie gehören dazu, denn wenn der Heilige Geist über Bentley und seine Freunde fällt, dann schreien sie vor allem. “Feuer, Feuer!” etwa. Nach dem obligatorischen Besuch von einem Engel, der Feuer an den Füßen hatte, brannte auch gerne mal das Hotelzimmer komplett ab.

Bei Live-Veranstaltungen ahmt Bentley auch das Segnen mit dem Heiligen Geist nach. Wie es sich für einen gesalbten Prediger gehört, legt er seine Hand auf die Gäste. Um sie zum Umfallen zu bringen, bedarf es manchmal eines besonderen Nachdrucks durch Bentleys Hand, denn nicht jeder fällt um, etwa weil er vom Heiligen Geist getroffen wurde. Bentley selbst wackelt, während er predigt, mit den unterschiedlichsten Körperteilen.

Bentley ist auf den ersten Blick ein durchgeknallter Prediger, der sich lustige Geschichten ausdenkt und sie in einem Umfeld präsentiert, das einen christlichen Anstrich hat. Ein christlicher Webblogger schrieb: “Entweder sind diese Begegnungen wirklich von Gott … oder vom Satan. In der unsichtbaren Dimension gibt es laut Bibel nur diese zwei Möglichkeiten.” Vor allem aber gilt: jeder muss sich selbst ein Urteil über den Mann bilden, der spannende Geschichten aus einer anderen Dimension zu erzählen hat.

Heiße Diskussionen im Internet

In den Kommentaren zu den Videos von Bentleys Auftritten wird heftig über die Echtheit dieses Mannes diskutiert. Einer schreibt: “Satan muss sich vor Lachen auf dem Boden wälzen, wenn er sieht, wie Bentley die Leute täuscht. Der einzige Wind, der da bläst, ist der der Scharlatanerie.” Und er erinnert an Matthäus 7, 22, wo Jesus sagt: “Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!”

Der amerikanische Blogger Kim Olsen führt ebenfalls einige Bibelstellen an, in Matthäus 24,23 etwa heißt es: “Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus!, oder: Da!, so sollt ihr’s nicht glauben. Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun.” Paulus habe in 1. Johannes 4,1 gewarnt: “Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt.” Kim Olsen schlussfolgert: “Todd Bentley behauptet, Jesus Christus gesehen zu haben, aber es war nicht der Jesus der Bibel.”

J. Lee Grady, Autor der Zeitschrift “Charisma” und charismatischer Pastor, schreibt zu Bentley, von dem er zunächst beeindruckt war: “In Kolosser 2,18 lesen wir, dass manche Menschen, die Engel begegnet waren, damit prahlten.” Wenn der Heilige Geist auf Menschen komme, könne es durchaus zu Zittern und Umfallen kommen. Aber dennoch müsse man aufpassen, dass Ordnung beibehalten werde. Niemand, der unter dem Geist Gottes stehe, solle “außer Kontrolle” geraten.

Die Organisatoren der “Lakeland Revival”-Bewegung preisen die angeblichen Phänomene an wie im Schlussverkauf: “Komm und hol’s Dir” lautet der bekannteste Slogan. Die Wunder scheinen aufzupoppen wie Popcorn, und die Veranstalter sprechen von der “größten Erweckung in der Geschichte”. “So etwas verkleinert das, was der Heilige Geist wirklich tut”, schreibt Grady. Es diskreditiere Bewegungen etwa im Iran, China oder in Indien. “Wir müssen erst einen langen Weg gehen, bevor wir so eine Art von Erweckung erleben”. Er empfiehlt: “Lasst und demütig sein und uns beugen vor dem Herrn.”

Bei Bentleys Shows jedenfalls steht vor allem einer im Vordergrund: er selbst.

VON: JS | 28.05.08

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