Gender Mainstreaming – Eine Kulturrevolution
von Gabriele Kuby / Europabrief Nr. 30 (Juni 2008), „Europa für Christus"

„Wer heute in Europa ein Formular ausfüllen muss, merkt es: Statt unser „Geschlecht“ anzukreuzen, werden wir oft aufgefordert, unser „Gender“ anzugeben. Eine neue Ideologie hat sich soweit durchgesetzt, dass sie die Sprache verändert: Während sich der Begriff „Geschlecht“ auf eine biologische Realität bezieht, wird „Gender“ als soziales, von der Biologie unabhängiges Konstrukt gesehen. Und da gibt es dann per definitionem weit mehr als bloß Mann und Frau.
Diese radikale Auffassung hat sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens einschneidend festgesetzt, ohne dass eine politische Mehrheit dies je gefordert hätte. „Gender Mainstreaming“ gehört in den meisten europäischen Staaten zu den Leitlinien der Politik. „Gender Studies“ finden sich auf zahlreichen universitären Lehrplänen.
Für Christen ist es unerlässlich, über die Herkunft und Zielsetzung dieser Ideologie fundiert Bescheid zu wissen. Lesen Sie dazu einen kompakten Text im Europabrief für den Monat Juni und leiten Sie diese Information bitte an Freunde und Bekannte weiter. Für ein Europa, das seine christlich geprägte Kultur nicht verleugnet!
Ihr „Europa für Christus!“ –Team.

Hinter dem Rücken des öffentlichen Bewusstseins ereignet sich derzeit eine Kulturrevolution, die im Begriff ist, die Sozialstruktur der Gesellschaft in ihrem innersten Kern zu verändern. Es geht um die schrittweise Auflösung der Geschlechtsidentität von Mann und Frau, der sexuellen Normen und der sozialen Formen, die sich darauf gründen: Ehe, Familie, Mutterschaft und Vaterschaft. Der Name dieser Kulturrevolution ist Gender Mainstreaming.

Mainstreaming heißt, ein Konzept durch aktives politisches Handeln zum „Hauptstrom“ der Gesellschaft zu machen, nämlich den neuen „Gender-Menschen“. Vor der Umdeutung durch den Radikalfeminismus war gender ein grammatikalischer Begriff, der das Geschlecht eines Wortes bezeichnete. Auch sex bedeutet Geschlecht, aber der Begriff ist festgelegt auf die zwei Geschlechter Mann und Frau und deren Identität mit dem eigenen Geschlecht. Die Gender Perspektive soll diese Identität aufheben. Sie ist ein in sich geschlossenes Glaubenssystem, das behauptet, die Zweigeschlechtlichkeit sei nur eine gesellschaftliche Konstruktion. Die biologischen Unterschiede wären ohne Bedeutung für die Identität eines Menschen und seine sexuelle Orientierung, so dass das soziale Geschlecht ein anderes sein könne als das biologische Geschlecht. Es gehöre zur Freiheit des Menschen, sein Geschlecht und seine sexuelle Orientierung zu wählen. Nicht zwei Geschlechter gebe es, sondern mindestens sechs: Mann und Frau jeweils in der Ausgabe heterosexuell, homosexuell, bisexuell. Es geht um die Schaffung eines von der Natur „emanzipierten“ neuen Menschen.

Diese die Natur missachtende Verdrehung der Wirklichkeit hat philosophische Hintergründe, den Relativismus, der die Erkennbarkeit von objektiver Wahrheit negiert (mehr zum Thema Relativismus siehe auf: http://www.europe4christ.net/index.php?id=88&L=1). Auch Marx und Engels Utopie einer klassenlosen Gesellschaft, welche die Gleichheit aller Menschen anstrebt, ist eine Wurzel dieser Ideologie. Engels schrieb: „Der erste Klassengegensatz, der in der Geschichte auftritt, fällt zusammen mit der Entwicklung des Antagonismus von Mann und Weib in der Einzelehe und die erste Klassenunterdrückung mit der des weiblichen Geschlechts durch das männliche.“ Simone de Beauvoir genügte es nicht, für die notwendige Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern zu kämpfen, sondern die Wesensbestimmung von Mann und Frau durch ihr biologisches Geschlecht zu negieren. Sie formulierte den berühmten Satz: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“ Unserer Zeit ist es vorbehalten, durch social engineering, die existentielle, soziale und kulturelle Relevanz der biologischen Geschlechtsidentität zu leugnen und die über Jahrtausende historisch gewachsene Identität von Mann und Frau durch eine kulturelle Top-down-Revolution willkürlich zu zerschlagen.

Ist erst einmal die biologische Geschlechtsidentität von Mann und Frau dekonstruiert, so steht der Dekonstruktion der sozialen Rollen und Institutionen nichts mehr im Wege. Weil kein Bereich der Gesellschaft von den Einflüssen der bipolaren Geschlechtlichkeit frei ist, sind alle Bereiche des sozialen Lebens Zielscheibe der Dekonstruktion: Ehe, Familie, Vaterschaft, Mutterschaft, Erziehung, Sprache, Arbeit, Kultur, Religion. Das nennt sich undoing gender.

Auf der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 wurde eine „Aktionsplattform“ verabschiedet, die zwar völkerrechtlich nicht bindend ist, die aber innerhalb der folgenden zehn Jahre von 191 Staaten unterzeichnet und in konkrete politische Maßnahmen umgesetzt wurde. Ein Ziel der Aktionsplattform ist die 50:50 Gleichheit von Frauen und Männern in allen Berufs- und Lebensbereichen. Frauen sollen fünfzig Prozent aller Arbeitsplätze bis hin zu den höchsten Ämtern einnehmen, und Männer sollen gezwungen werden, fünfzig Prozent der Säuglings- und Kinderpflege zu übernehmen. Das berechtigte Anliegen der Chancengleichheit der Geschlechter wird durch eine aufgezwungene faktische Gleichheit gegen die weibliche Identität gewandt. Verschiedenheit wird in Ungleichheit und Ungleichheit in Ungerechtigkeit umgedeutet.

Die Wünsche und persönlichen Vorstellungen von Frauen, Männern und Kindern sind den Ideologen gleichgültig. Die Worte Ehe, Familie, Mutter, Vater, Kinder kommen in der „Aktionsplattform“ nicht vor: Gender Mainstreaming oktroyiert allen Frauen die berufstätige, familiär ungebundene Frau als Leitbild auf. Im EU-Vertrag von Amsterdam 1999 (Art. 2 und 3) war von der „Gleichstellung von Frauen und Männern“ und von „der Beseitigung der Ungleichheiten“ die Rede; in der EU-Grundrechtscharta von Nizza im Jahr 2000 (Art. 23) ging es bereits um die Sicherstellung der „Gleichheit von Männern und Frauen“. Männer und Frauen sind aber nicht gleich.

Am 11. Januar 2006 hat das Europäische Parlament eine „Entschließung zur Homophobie in Europa“ (B6-0025/2006) verabschiedet. Darin setzt das Europäische Parlament die Homophobie, nämlich die „Aversion gegen Homosexualität und schwule, lesbische, bisexuelle und transsexuelle Menschen“ auf eine Stufe mit Rassismus, Xenophobie und Antisemitismus. Hier wird gleichgesetzt, was nicht gleich ist. Die Sexualität gehört, anders als Rasse, Fremdenstatus und Religion, dem moralisch-normativen Bereich an, über den jeder Mensch, soweit es sein Privatleben betrifft, in einer freiheitlichen Gesellschaft selbst entscheiden können sollte. In der Entschließung heißt es: Es seien „sowohl auf EU-Ebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten weitere Maßnahmen notwendig, um die Homophobie auszumerzen“, durch „erzieherische Maßnahmen – wie Informationskampagnen gegen Homophobie in Schulen, Universitäten und den Medien – oder über Rechts- und Verwaltungsvorschriften …“, durch „äußerst effiziente“ Ahndung, u.s.w. Damit wird Widerstand gegen die aktive Homosexualisierung der Gesellschaft kriminalisiert.

Der Siegeszug des Gender Mainstreaming seit 1995 ist beispiellos. An den meisten Universitäten der westlichen Länder wird Gender-Theorie gelehrt. In allen staatlichen Bürokratien und Institutionen gibt es Gender-Beauftrage. In Gender-Projekte fließen große Finanzmittel der EU und der Staaten.

Die eigentliche Schlacht wird um die nächste Generation geführt. In diesem Zusammenhang kommt dem Sexualkundeunterricht entscheidende Bedeutung zu: In Wort und Bild werden Kinder schon in der Volksschule durch die offiziellen Lehrpläne zur Frühsexualität in jeder beliebigen Variante animiert und zu Verhütungsexperten ausgebildet – mit Abtreibung als problemloser Option. Die Gender-Ideologie ist ein Rückfall hinter die Aufklärung mit ihrem Ideal der wissenschaftlichen Rationalität. Die „Wissenschaftlichkeit“ der Gender-Theorie beruht allein darauf, dass ihre Vertreterinnen – es sind fast ausschließlich Frauen – akademische Positionen innehaben. Sie ignorieren die Ergebnisse der Gehirnforschung, Soziologie und Psychologie, welche die unaufhebbare Differenz und Ergänzungsbedürftigkeit von männlichem und weiblichem Geschlecht zeigen. Der ideologische Charakter des Gender Mainstreaming zeigt sich an seinen Widersprüchen: Gender bekämpft die Ehe zwischen Mann und Frau, erhebt aber die homosexuelle Lebensgemeinschaft gesetzlich in den Rang der Ehe. Gender bekämpft die Familie, erzwingt aber das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Gender erklärt das Geschlecht und die geschlechtliche Orientierung zu einer frei zu wählenden Kategorie, will aber Informationen und therapeutischen Angebote zur Veränderung homosexueller Neigungen eliminieren.

Gender Mainstreaming ist eine Kulturrevolution mit totalitärem Anspruch, welche die Familienzerstörung weiter vorantreibt und so die Zukunft der nächsten Generation noch mehr verdunkelt.

Gabriele Kuby, geboren 1944, lebt als Publizistin in Bayern. Sie ist Mutter von drei Kindern. Sie hat Soziologie studiert und war an der 1968iger Studentenrevolution beteiligt. Über zwanzig Jahre lang war sie als Übersetzerin im Bereich Psychologie und Esoterik tätig bevor sie sich dem Christentum zuwandte. In ihren Büchern beschäftigt sie sich vorwiegend mit Glauben, Beziehung, Sexualität und Gender.

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Europabrief-Archiv / "Gender Mainstreaming - Eine kulturelle Revolution"

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