Die Regierungen und zuständigen Behörden haben zu spät auf das Coronavirus reagiert.
DW Akademie - Kommentar: Deutschlands laxer Kampf gegen das Coronavirus
Deutschland tut zu spät zu wenig, um
die Ausbreitung des Coronavirus zu bekämpfen.
Dabei hat Deutschland doch die
erschreckende Ausbreitung des Virus in seinen europäischen Nachbarstaaten
miterlebt, konnte so einen Blick in seine mögliche Zukunft werfen. Dennoch hat
es ein wertvolles Zeitfenster vertan, um nicht in die gleiche Situation zu
geraten.
Deutschland hat bisher weit weniger Coronavirus-Todesfälle zu
beklagen als seine Nachbarn. Forscher warnen jedoch davor, dass es noch viel
mehr aktive Infektionen geben wird, da die Symptome erst mit 14 Tagen
Verzögerung auftreten können.
Deutschland verfügt zwar über ein robustes
Gesundheitssystem, aber es besteht das gleiche Risiko wie in Italien: die
Überlastung der medizinischen Dienste durch zu viele Krankheitsfälle auf einmal,
weil die Ausbreitung des Virus nicht rechtzeitig verlangsamt wurde. Das Chaos,
das in deutschen Krankenhäusern und Testzentren bereits jetzt herrscht, da die
Zahlen noch relativ niedrig sind, lässt nichts Gutes ahnen.
Wenn die
Corona-Pandemie vorbei ist - und irgendwann wird es soweit sein - werden die
einzelnen Staaten zurückblicken und hochrechnen, wie viele Todesfälle wohl
hätten vermieden werden können, wenn früher und effizienter gehandelt worden
wäre. Wieviele Großeltern hätten gerettet werden können? Mütter und Väter?
Geliebte Menschen mit Herzleiden oder Asthma?
Wiener Zeitung: Coronavirus - China, Europa und dann?
Die Coronavirus-Epidemie hat sich längst zu einer
Pandemie ausgewachsen. Die Staaten reagieren weltweit und auch innerhalb Europas
unterschiedlich darauf.
Als zu Jahresbeginn
die ersten Meldungen von einer "mysteriösen Lungenkrankheit" in China kamen,
waren die dortigen Behörden noch zögerlich. Doch wenige Wochen später waren die
Elf-Millionen-Einwohner-Metropole Wuhan und andere Städte abgeriegelt. Flüge,
Züge, Fernbusse, Fähren waren gestoppt, die Zufahrten zu den Autobahnen gekappt.
Bald durften nur noch Dienst- und Notfallfahrzeuge sowie Transporte mit Waren
des täglichen Bedarfs auf die Straßen. Menschen durften nur noch mit Mundschutz
aus dem Haus - andernfalls drohten Strafen. Millionen Bürger waren in
Quarantäne, die streng kontrolliert wurde.
Mittlerweile zählt Italien mehr
Coronavirus-Tote als China. Das Land hat Ausgangssperren verhängt, die Menschen
dürfen ihre Häuser nur noch zum Einkaufen, Arbeiten und aus medizinischen
Gründen verlassen. Die Lombardei, die am schwersten getroffene Region, verlangt
aber drastischere Maßnahmen: eine Totalsperre und einen Militäreinsatz, um die
Restriktionen durchzusetzen. Schon jetzt helfen Soldaten beim Transport der
Verstorbenen.
Am Freitag verkündete China
den zweiten Tag in Folge, dass es im Land selbst keine Neuinfektionen gegeben
hätte, sondern nur aus dem Ausland Neuinfektionen eingeschleppt wurden - die
betroffenen Personen werden aber streng isoliert. Es gibt zwar Zweifel, ob die
offiziellen Zahlen in China nicht geschönt sind. Doch würde es die Staatsführung
wohl kaum zulassen, dass das öffentliche Leben langsam wieder in Gang kommt,
wenn sie sich nicht ziemlich sicher wäre, das Virus im Großen und Ganzen besiegt
zu haben.
Auch eine zweite Welle an Corona-Erkrankungen kann nicht
ausgeschlossen werden. Doch das gilt für alle von dem Virus betroffenen Länder.
Haben andere asiatische Länder so drastisch regiert? Nein, sie haben großteils
das öffentliche Leben sogar weniger eingeschränkt als viele europäische Staaten.
So blieben etwa in Taiwan die Restaurants geöffnet, und auch in Singapur ging
das öffentliche Leben im Großen und Ganzen weiter seinen normalen Gang - und das
trotz eines großen Austausches mit China. Trotzdem verzeichnete Taiwan bis
Freitag lediglich knapp mehr als 130 und Singapur etwas mehr als 300
Corona-Infektionen. Denn die beiden Staaten haben sehr schnell reagiert, auch
weil sie durch die Sars-Epidemie schon Erfahrungen mit derartigen
Krankheitsausbrüchen besaßen.
So fanden an den Flughäfen gleich nach den
ersten Berichten aus China umfassende Kontrollen statt. Für Infektions- und
Verdachtsfälle herrschen strenge Quarantänevorschriften, die auch genau
überwacht werden. Durch groß angelegte Fiebermessungen, etwa in Schulen oder
U-Bahn-Stationen, wurden Verdachtsfälle aufgespürt - und in der Folge wurde auch
deren Umfeld genau überprüft. Zudem war das Krankenhauspersonal gut auf die
Situation vorbereitet. Auch befolgt die Bevölkerung öffentliche Aufrufe, bei
denen zu einem vorsichtigeren Verhalten wegen des Virus aufgefordert wird,
umfassender und disziplinierter als in Europa.
Wo findet dennoch die Idee der
"Herdenimmunisierung" Anhänger? Bekanntester Fall in Europa war Großbritannien,
wo Regierungsberater Patrick Vallance eine Infektionsrate von 60 Prozent der
Bevölkerung vorschlug. Doch die These, so könne Schutz für die gesamte
Bevölkerung aufgebaut werden, wird von den allermeisten Experten verworfen - das
Gesundheitssystem würde kollabieren, hunderttausende Leute müssten sterben.
Premier Boris Johnson schwenkt immer mehr um, über die Schließung von Pubs,
Restaurants, Sporteinrichtungen und Kinos in London wurde seit Tagen spekuliert.
Bisher hat das Coronavirus besonders Industriestaaten getroffen, doch wenn es
sich auch in Länder mit ärmerer Bevölkerung stärker ausbreitet, droht dort eine
Katastrophe. Denn das Gesundheitssystem ist vielerorts marode, zudem wohnen in
den Slums viele Menschen dicht gedrängt. Wenn dann auch noch Regierungen das
Problem verharmlosen, verschärft das die Lage noch einmal.
ZDF heute: Interview zum Coronavirus - Virologe: Wir haben einen Fehler
wiederholt
Was hat
China falsch gemacht, und was verrät die Pandemie über Wirtschaft und
Gesellschaft? Antworten gibt Virologe Alexander Kekulé im ZDF-Interview.
China hat sehr drastisch und leider zu spät reagiert. Das ist das Hauptproblem
gewesen. Am Anfang gab es ja sogar eine Vertuschung der Fälle. Man hat nicht
zugegeben, wie viele (Fälle) im Land sind und hat auch am Anfang wirklich aktiv
verhindert, dass die Ausbreitung bekämpft wird in Wuhan.
Dann später hat man
diese erste Phase einer epidemischen Bekämpfung, wo man noch in der Lage ist
kleine Infektionsherde quasi auszutreten, die hat man verpasst und deshalb nur
noch mit Eingrenzungsmaßnahmen gearbeitet. Wir nennen das "Cordon sanitaire" -
ein Sanitätsband um die Stadt herum gezogen. Das ist völlig schief gegangen,
weil die Menschen in Scharen vorher die Stadt verlassen haben. Der Bürgermeister
von Wuhan hat erklärt, dass über die Hälfte seiner elf Millionen Einwohner
vorher geflohen sind, bevor dieser Cordon geschlossen war und dadurch hat das
überhaupt nicht funktioniert.
In Italien ist offensichtlich der Fall eingetreten,
den ich ja befürchtet habe und vor dem ich wirklich im Januar schon gewarnt
habe. Man hat offensichtlich eine importierte Infektion gehabt. Ich gehe davon
aus, dass die aus China passiert ist, oder aus einem der großen Risikogebiete.
Man hat keine Einreisekontrollen durchgeführt. Dadurch kam es zu einer
Ausbreitung im Land, die lange nicht erkannt wurde und da hat man den nächsten
Fehler gemacht. Man hat nicht alle schwer grippekranken Patienten auch auf
Corona getestet.
Das ist eine andere Forderung, die ich seit vielen Wochen
habe, die auch in Deutschland noch nicht erfüllt wird. Dadurch, dass man das
nicht getestet hat, hat man am Anfang gedacht, es sind Grippe oder Erkältungen
und die Krankheit konnte sich, bevor man sie sozusagen dingfest gemacht hat,
massiv ausbreiten. Als die Krankheit zum ersten Mal in Italien festgestellt
wurde, hatte man schon weit über 200 Fälle. Mit so einer Situation wäre auch das
deutsche System komplett überfordert.
Ich glaube, dass wir anhand dieser
Pandemie ganz viele wichtige Dinge lernen. Zum einen lernen wir, dass unsere
Umwelt etwas extrem Fragiles ist, mit der wir die ganzen Jahre extrem schlecht
umgegangen sind. Man muss sich klar machen, wir haben einen Fehler wiederholt
von 2003, als damals Sars ausgebrochen ist. Wir haben wieder wilde Tiere
benutzt, quasi deren Blut irgendwie ins Essen gebracht, und auf diese Weise ein
Virus auf uns Menschen überspringen lassen, das sonst nie auf uns herüber
gekommen wäre.
Wir haben auch gelernt, dass unsere wirtschaftliche Welt
extrem fragil zusammenhängt. Dass wir jetzt merken, dass die Masken, die wir
jetzt brauchen, vorher nach China verkauft wurden, oder zum Teil Medikamente in
China produziert werden, die jetzt nicht mehr herkommen und es dadurch schwierig
machen, unsere Pandemiepläne auszuführen, die wir mal so schön aufgeschrieben
haben. Das sind alles Dinge, die werden uns jetzt klar.
Wir haben so viele
Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit diesem neuen Coronavirus, es würde
mehrere Sendungen füllen, das alles zu erklären. Aber es ist wirklich
erschreckend und ich beobachte das selber mit Sorge, dass wir hier quasi eine
Epidemie der Fehlinformationen haben, die parallel aufgetreten ist.
Deutschlandfunk: Coronavirus in Spanien „Die Lage ist dramatisch – und aus
Europa kommt keine Antwort“
Spaniens Regierung habe zu spät und dann sehr
drastisch auf die Ausbreitung des Coronavirus reagiert, sagte die in Madrid
ansässige Politologin Susanne Gratius im Dlf. Die Bevölkerung akzeptiere diese
Maßnahmen noch. Doch die EU zeige sich in dieser Krise nicht sehr solidarisch.
Nach Italien ist Spanien in Europa das Land mit den meisten Coronavirus-Fällen.
Die Zahl der Todesopfer stieg laut Gesundheitsministerium am Wochenende auf mehr
als 6.500.
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(Letztes Update: 07.04.2020)